Was macht die Überschreitung des Erlaubten so reizvoll, warum fasziniert das Spiel mit dem Verbotenen? Spicken, Schwarzfahren, Rasen, illegale Substanzen oder ein kleiner Diebstahl …, erinnern wir uns nicht alle mit leisem Behagen an den einen oder anderen schadlos überstandenen Regelverstoß? Es scheint, als ob wir solche Momente immer wieder suchen, sie unser Leben auf spezielle Weise bereichern. Dient diese gelegentliche Abweichung vom Regelkonformen vielleicht dazu, unsere Autonomie zu behaupten? Ist sie am Ende bedeutender Teil des Menschseins? Hält der Regelbruch mitunter das geregelte Leben am Laufen und hat womöglich sogar das Potenzial, gesellschaftliche Entwicklungen voranzutreiben? Wie viel es jenseits des Erlaubten zu entdecken gibt, zeigt uns Leander Steinkopf in seinem unterhaltsamen und pointierten Essay.
Die Deutsche Bahn AG ist eine Tragikomödie. Warum sonst buhen die Reisenden sie wegen der permanenten Verspätungen aus und spenden Beifall, wenn überhaupt noch ein Zug fährt? Wie konnte es dazu kommen? Wurde sie kaputtgespart und heruntergewirtschaftet, und wenn ja, warum? Und welchen Einfluss haben die Bahnpakete der Europäischen Union auf das Geschehen im deutschen Zugverkehr? Starke Schiene – so lautet das neue Motto der Deutschen Bahn. Alles soll in den kommenden Jahren besser oder sogar erstklassig werden: das Schienennetz, der Komfort in den Wagen, der Service, die Anschlüsse und die Pünktlichkeit. Fragt sich nur, ob der versprochene Deutschlandtakt zumindest von den jungen Leuten noch erlebt werden kann. Und ist die von einigen politischen Parteien geforderte Trennung von Netz und Eisenbahnbetrieb sinnvoll? Bis 2030 will die Deutsche Bahn vierzig Streckenabschnitte einer Generalsanierung unterziehen. Allerdings ist nicht erkennbar, dass das dafür notwendige Geld auch vom Bund bereitgestellt wird. Aber wer sonst kann die angekündigte Großsanierung des für den Klimaschutz so wichtigen Verkehrsträgers Eisenbahn finanziell absichern? Zudem sind bautechnische Probleme – wie etwa beim Projekt Stuttgart 21 – und andere Störfaktoren fast vorprogrammiert. Kann das deutsche Bahnsystem noch die Kurve kriegen?
»dunkelhell. Szenografische Raumfindungen« lebt von der Erfindungsgabe Studierender der Szenografie an der Hochschule Hannover. Zu sehen sind Fotografien ihrer Modellentwürfe von Bühnen- und Raumvisionen für Theater, Opern und experimentelle Projekte mit Sprache und Musik. In ihnen verschwinden die wahren Größen. Nichts ist, wie es scheint, alles ist Theater. In verkleinerten Formen werden Lebensräume erfunden und eine Vorstellung ihrer Realisierung imaginiert. In ihnen verbinden sich Vergangenheit und Gegenwart, Traum und Wirklichkeit, Kunst und Natur, Heiterkeit und Angst. Die physische Begrenztheit des kleinen Modells ermöglicht größte Freiheit in der Gestaltung, gibt Einblicke in Ideen und Fantasien, die zu den je eigenen bildnerischen Visionen und Interpretationen führten, und bringt kunstvolle Objekte hervor, die nach Vollendung ihrer wichtigen Rolle meist verschwinden. Was bleibt, sind die Fotografien. Dieser Werkprozess stellt immer neue Wechselbeziehungen her. In diesem Buch erhält das kleine Modell über die Fotografie seine Würdigung. Ein Gedankenaustausch zwischen Colin Walker und Friedrich Weltzien führt zu unterschiedlichen Themen und beleuchtet en passant die Anschauungsweise auf szenografische Inhalte.
Die unterhaltsamste Fläche auf Erden sei das menschliche Antlitz, befand der Philosoph und Physiker Georg Christoph Lichtenberg. Vom ersten Kinderlächeln bis zur zerfurchten Greisenstirn, vom beglückten Strahlen bis zur Schmerzensfratze ist es die Bühne für unsere Gefühle. Doch in seiner schier unendlichen Wandelbarkeit ist es nicht nur unterhaltsam, es ist auch geheimnisvoll, eine Landschaft, die unser Inneres sowohl offenbaren als auch verbergen kann. Durch die ganze Geschichte hindurch haben Menschen ihr Gesicht mit Schminke, Bart oder auch Schmuck verziert, um ihrer Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen, Unvorteilhaftes zu korrigieren, Schmeichelhaftes hervorzuheben. Heute ist die technische Entwicklung dabei, das Verhältnis von Natürlichem und Künstlichem zu verkehren. Der zunehmende Einsatz von Schönheitschirurgie, Photoshop oder KI-generierten Deep Fakes degradiert das reale Antlitz zum bloßen Material, aus dem ein beliebig wählbares virtuelles Konterfei geformt werden kann. Andrea Köhler beleuchtet, wie aus der unterhaltsamsten Fläche auf Erden eine nahezu grenzenlos manipulierbare geworden ist.
exit! ist eine Zeitschrift für kritische Gesellschaftstheorie. Gesellschaftliche Entwicklungen analysiert sie auf der Grundlage der Kritik der Wert-Abspaltung als einer Weiterentwicklung der kritischen Theorie. Wesentliche Bezugspunkte sind dabei die Kritik der politischen Ökonomie ebenso wie die Auseinandersetzung mit psychosozialen Phänomenen vor dem Hintergrund der Psychoanalyse.
Von April bis Juli 1994 wurden in Ruanda Hunderttausende Menschen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit umgebracht. Auf das Verbrechen folgte ein staatlicher Neuaufbau, der als beispielhaft gilt. Und doch ist die Region bis heute nicht zur Ruhe gekommen. Der Völkerrechtler Gerd Hankel hat Ruanda und die umliegenden Länder vielfach besucht und die Entwicklung des Landes über zwanzig Jahre hinweg beobachtet und begleitet. In seinem Buch erörtert er nicht nur die wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte Ruandas, sondern auch die tiefgreifenden Herausforderungen, mit denen die Gesellschaft konfrontiert ist. Er beleuchtet die Hintergründe und Interessen, die im Spiel sind, und macht auf diese Weise deutlich, dass Politik und Zynismus oftmals nahe beieinanderliegen. Die Selbst- und Fremdwahrnehmung Ruandas werfen eine Reihe von Fragen auf, die auch unseren Blick auf Gewalt und Unrecht betreffen. Für die Aktualisierung und Erweiterung seines 2019 zuerst vorgelegten Buchs hat der Autor die Region erneut bereist, um die jüngsten Entwicklungen zu beurteilen. So ist eine Neuausgabe entstanden, die die Geschichte Ruandas bis auf den heutigen Tag fortschreibt.
Mit der Studienreihe »Berlin-Monitor« werden seit 2019 Berlinerinnen und Berliner zu ihren politischen Einstellungen, Möglichkeiten der Partizipation, aber auch zu Diskriminierungserfahrungen befragt. Im »Berlin-Monitor 2023« werden die Ergebnisse der dritten repräsentativen Befragung der Berliner Bevölkerung aus dem Jahr 2023 vorgestellt. Er fokussiert darauf, wie die politischen Krisen der Gegenwart von den Befragten wahrgenommen und eingeschätzt werden. Schwerpunkte sind antimuslimische und transfeindliche Einstellungen oder die Ablehnung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Oft bereiten diese Faktoren den Boden für Extremismus und antidemokratische Positionen, welche in Berlin zwar in der Minderheit, allerdings dennoch vorhanden sind.
Das Gespräch, häufig unterstützt durch Mimik und Gestik, ist die wohl wichtigste Form menschlicher Interaktion – sei es im privaten Umfeld, beim Flirt, im Beruf, in Politik und Wirtschaft. Der Rückzug ins »Homeoffice« hat aus dem Blickfeld geraten lassen, wie entscheidend, ja inspirierend ein beiläufiger verbaler Austausch am Arbeitsplatz sein kann. »Wir bleiben im Gespräch«, diese Aussage signalisiert die Bereitschaft zur Verständigung. Verstummt das Wort, steht es auch um unsere Freiheit schlecht. Im Dialog kommen wir einander näher, grenzen uns ab, deuten unsere Welt, verorten uns, entfliehen der Einsamkeit. Kersten Knipp erkundet in diesem Essay die vielfältigen Möglichkeiten, in denen wir sprechend miteinander in Kontakt treten und weshalb das Wort zwar nicht unbedingt der Anfang von allem gewesen sein mag, unser Dasein aber weitgehend bestimmt.
Mehr als ein Jahrhundert lang war das Hotel aus dem gesellschaftlichen Leben nicht wegzudenken. Oft stand es an den schönsten Orten, verhieß Luxus und Unbeschwertheit. Es bot eine Kulisse für den großen Auftritt – und für Ereignisse der Weltgeschichte. Für Reisende spielte es eine Hauptrolle. Auf Kunst, Literatur und Film hat das Leben im Hotel immer wieder inspirierend gewirkt. Als Gegenentwurf zur Alltäglichkeit des ständigen Wohnsitzes fasziniert es bis heute. In jüngster Zeit aber ist es in Bedrängnis geraten. Nicht nur die Wellen der Covid-19-Pandemie mit ihren Lockdowns haben der Hotellerie zugesetzt, sondern auch der wachsende Erfolg von Buchungsportalen für die Vermietung von Privatunterkünften. Doch das Hotel ist weit mehr als nur ein Haus zum Übernachten. Erst seine Gäste machen es zu dem, was es ist: Drehscheibe der Gesellschaft, Sehnsuchts- und Zufluchtsort. Im Schutz seiner Halböffentlichkeit gedeihen weiterhin politische und private Dramen. Allein deshalb bleibt es, wie Marion Löhndorf überzeugend und unterhaltsam argumentiert, ganz einfach unverzichtbar.
Die kulturellen und gesellschaftlichen Konflikte in den westlichen Demokratien verschärfen sich zusehends. Befeuert wird diese Entwicklung dadurch, dass im Namen einer höheren Moral zentrale Errungenschaften der Aufklärung in Frage gestellt werden. Das persönliche Erleben gerät zum entscheidenden Orientierungspunkt. Gesammelte Wissensbestände und historisch gewachsene Erkenntnisse hingegen gelten als Relikte einer unaufgeklärten und schuldbeladenen Gesellschaft. Wer hätte noch vor einigen Jahren vorhergesehen, dass nur noch identitätspolitisch ausgewiesene Personengruppen zu bestimmten Themen Stellung beziehen dürften; dass die Wissenschaftsfreiheit in Frage gestellt, die Bereitschaft zum Widerspruch in besorgniserregendem Ausmaß sinken würde? Nicht die Verbesserung des Bestehenden, sondern eine radikale Umorientierung wird seitens »woker« Vordenker angestrebt. Biologische und lebensweltliche Tatsachen gelten als bloße Zuschreibung, unbeschränkte Selbstbestimmung wird zum Gebot der Stunde. Auf welcher Grundlage sich der Mensch, der sich aller natürlichen Beschränkungen enthoben glaubt und aller Konventionen und Traditionen entledigt hat, selbst und beständig neu erschaffen soll, bleibt allerdings im Dunkeln. Bernd Ahrbeck zeigt die Gefahren auf, die von der Utopie einer grenzenlosen Machbarkeit ausgehen.
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