Heute erleben wir weltweit nicht nur einen massiven Rechtsruck, auch in linken und queerfeministischen Zusammenhängen lässt sich ein Rollback erkennen. Ein alter Klassenkampf-Marxismus wird wiederbelebt, manche entdecken gar den Marxismus-Leninismus neu. Dabei drohen Themen wie Sexismus, Rassismus, Antisemitismus sowie Homo- und Transphobie, wieder zu »Nebenwidersprüchen« zu verkommen. Dieses Buch, das Aufsätze der letzten dreißig Jahre versammelt, setzt diesen Tendenzen die Wert-Abspaltungs-Kritik entgegen, die aus einer Verbindung von Wertkritik und Kritischer Theorie hervorgegangen ist. Sie zielt darauf ab, soziale Ungleichheit, »Rasse«, Geschlecht, Antisemitismus, Antiziganismus, Trans- und Homophobie sowohl in ihrer Eigenlogik als auch ihrem inneren Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Ganzen zu begreifen.
Die Zeitschrift für kritische Theorie ist ein Diskussionsforum für die materiale Anwendung kritischer Theorie auf aktuelle Gegenstände und bietet einen Rahmen für Gespräche zwischen den verschiedenen methodologischen Auffassungen heutiger Formen kritischer Theorie. Sie dient als Forum, das einzelne theoretische Anstrengungen thematisch bündelt und kontinuierlich präsentiert. zuklampen.de/ueber-zkt
Mit der Vorlesung zum Wissenschaftsbegriff des Deutschen Idealismus startet die Edition einer Reihe von Vorlesungen Peter Bulthaups. Die vorliegende Vorlesung galt ihm als seine Einführung in die Philosophie. Für Bulthaups Philosophie war es zentral, den Wissenschaftsbegriff des Deutschen Idealismus zu erläutern. Bulthaup wandte sich damit gegen die an Philosophie-Instituten gängige Praxis, mit einführenden Vorlesungen zur »Wissenschaftstheorie« oder mit Überblicksvorlesungen zur Geschichte der Philosophie zu beginnen. Eine textnahe Darlegung dessen, womit Hegel in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes sein Philosophieren eröffnete, sollte für die Studierenden aufschließen, wie anzufangen sei. Bulthaup verstand seine Vorlesungen stets als Fortführung der kritischen Theorie. Nach Adornos Tod und der Integration der Erben Adornos in den Mainstream beharrte er darauf, durch Reflexion der philosophischen Grundlagen der kritischen Theorie deren Gesellschaftstheorie freizusetzen.
Seit 1913 heißt die Villa Massimo als Deutsche Akademie in Rom Künstler und Schriftsteller willkommen. Sie verdankt ihre Existenz der großzügigen Stiftung des jüdischen Berliner Unternehmers Eduard Arnhold und bietet Stipendiaten die Möglichkeit, ihren Projekten in arkadischer Umgebung nachzugehen. Die Villa Massimo blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Kaum eröffnet, wurde sie infolge des Ersten Weltkriegs beschlagnahmt und konnte erst 1928 ihren Betrieb wieder aufnehmen. Doch wenig später geriet die Akademie während des Nationalsozialismus zunehmend unter politischen Druck. Zwischen 1942 und 1945 wurde sie gar von der deutschen Luftwaffe als Casino genutzt. Dieser Umstand trug dazu bei, dass die Villa nach Kriegsende vom Alliierten Kontrollrat requiriert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es mehr als ein Jahrzehnt, bis der idyllische Gebäudekomplex an die Bundesrepublik restituiert wurde. Packend schildert Stephan Oswald die diplomatischen Fallstricke, politischen Begehrlichkeiten, rechtlichen Hürden und komplizierten bilateralen Verhandlungen, die der Rückgabe vorausgingen.
Benzin – das war weit mehr als ein Treibstoff für bequeme Fortbewegung. Es begründete ein Lebensgefühl, in dem sich Freiheit, Geschwindigkeit und Gefahr mischten. Der Rausch, der von aufheulenden Motoren und qualmenden Reifen ausging, drang ins Blut wie eine Droge und erwies sich oft als ebenso fatal. Im Rennsport trat die Verbindung von Sex-Appeal und schnellen Autos, die Nähe von Eros und Todestrieb offen zutage. Formel-1-Manager scheuten sich nicht, für einen Geschwindigkeitsvorsprung das Leben ihrer Fahrer zu riskieren. Und nicht zufällig war es der Lotus-Chef, der die »Boxenluder« erfand und das priapische Ritual, den Sieger Champagner verspritzen zu lassen. Heute erscheint all das zutiefst fragwürdig, gar sündhaft. Bei so manchem allerdings wird die Vermählung des Eleganten mit der brutalen Kraft der Motoren in sehnsuchtsvoller Erinnerung bleiben. Jens Jessen schreibt eine Gesellschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts, erzählt anhand der Pferdestärken, Karosserien und Lackfarben seiner Autos.
Vampire gehören längst zum Stammpersonal populärkultureller Gruselgeschichten. Doch die Vorstellung von Untoten, die Menschen das Blut aussaugen, ist älter als die moderne Kulturindustrie. Wann also kam der Vampir zur Welt? Bereits in den alteuropäischen Mythen gibt es Berichte über körperliche Wesen, die ihre Gräber verlassen und Unheil stiften. Doch mit Ausnahme der griechischen Lamia fehlt jenen Kreaturen die eine entscheidende Eigenschaft: der Durst nach Blut. Erst im 12. und 13. Jahrhundert beginnen sich die Vorstellungen des Wiedergängers zunehmend in eine bestimmte Richtung zu entwickeln: Da liest man von Toten, die aus ihrem Grab auferstehen, Blut saugen und Krankheiten übertragen. Ist dieser wandelnde Verdammte das kulturgeschichtliche Missing Link zwischen den rachsüchtigen Untoten der alteuropäischen Mythologien und dem balkanischen Vampir der Neuzeit? Moderne Publikumsmagnete wie die »Twilight«-Saga und »Nosferatu« zeugen von der ungebrochenen Popularität jener Schreckensgestalten mit Blutdurst. Simeon Elias Hüttel hat sich auf die Spur des Vampirglaubens gesetzt und dabei überraschendes neues Material zutage gefördert.
Nach dem Ende der Sowjetunion galt die Unterscheidung »rechter« und »linker« politischer Strömungen als veraltet. In einer globalisierten Welt sollten politische Entscheidungen nicht mehr durch ideologische Kategorien bestimmt, sondern fortan sachgerecht getroffen werden. Spätestens nach den Terroranschlägen von 2001 erwies sich die Vorstellung vom Ende der Geschichte als Illusion. Seitdem kehrt das binäre politische Ordnungsmuster mit Macht zurück, allerdings neu akzentuiert. Kaum ein Mensch will und darf in Deutschland mehr rechts sein. Die Zuschreibung »links« ist hingegen weniger stark negativ belastet. Wie variabel die Positionierung zwischen den beiden Polen allerdings sein kann, zeigt sich mit Blick auf Selbstverständnis und Außenwahrnehmung der Nationalsozialisten und auf die Richtungskämpfe im Kommunismus. Peter Hoeres belegt eindrucksvoll, dass die Renaissance des binären politischen Ordnungsschemas auf Konstanten beruht, die sich durch die gesamte menschliche Geschichte ziehen. »Rechts« war, im Gegensatz zu heute, historisch überwiegend positiv, »links« überwiegend negativ besetzt. Eine politische Umwertung erfolgte erst im Zuge der Französischen Revolution. Mit der zunehmenden normativen Zuspitzung droht das binäre Schema inzwischen zur Gefahr für den Rechtsstaat und das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu werden.
Unsere Welt kann völlig verrückt sein. Wir leben in einem Land, in dem Handwerker Termine vergeben wie Audienzen. In dem Teenager alte Langspielplatten nicht mehr auflegen, sondern als Deko an die Wand nageln. Und in dem der morgendliche Brötchenkauf so kompliziert werden kann, dass ihn eigentlich nur noch Fortgeschrittene unfallfrei zu bewältigen in der Lage sind. In seinen »Lüttjen Lagen« spießt Simon Benne mit Wortwitz all die Widersinnigkeiten auf, die unseren Alltag prägen, denn seine pointierten Glossen zeigen, dass man den täglichen Absurditäten am besten mit Humor begegnet. Doch neben skurrilen Beobachtungen erzählt er auch von seinem ganz persönlichen Abenteuer: dem Leben als Vater von vier Kindern – chaotisch, anstrengend und einfach wunderbar.
Vor 60 Jahren begann der Bau der U-Bahn in Hannover – ein Jahrhundertprojekt und die größte Baustelle, die Hannover je erlebt hat. Bereits zehn Jahre nach Baubeginn rollte der erste Zug durch den Untergrund der Landeshauptstadt. »Als Hannover Fahrt aufnahm« blickt zurück auf das bahnbrechende Vorhaben, welches das Gesicht der Stadt für immer veränderte. Die Autoren schildern nicht nur die Komplexität der Aufgabe, sondern auch die zahlreichen Herausforderungen bei der Durchführung, und erklären, wie aus der U-Bahn die heutige Stadtbahn wurde. Anekdoten von Zeitzeugen machen jene Phase der Stadtgeschichte lebendig und erzählen etwa, wie ein gigantisches Loch zu einer jahrelangen Besucherattraktion wurde und warum sogar Hannovers König zeitweise seinen angestammten Platz räumen musste. Eine Chronik der langen Geschichte des Nahverkehrs in der Landeshauptstadt – und ein Ausblick auf die Zukunft der Stadtbahn.
In den letzten Jahrzehnten reißen die Debatten über den Islam und Musliminnen und Muslime in Deutschland kaum ab und werden auch in Berlin mit Schärfe geführt. Wie bereits vorherige bundesweite Umfragen hat auch der »Berlin-Monitor 2023« eine weitreichende Verbreitung antimuslimischer Einstellungen in der Berliner Bevölkerung aufgezeigt. Sahen die einen »den Islam« als rückständig und nicht veränderungsfähig an, wünschten sich andere einen Zuwanderungsstopp speziell für Musliminnen und Muslime. Was bedeutet all dies für muslimische Berlinerinnen und Berliner? Erleben sie Diskriminierung, und wenn ja, wie oft und wie intensiv? Was sind die Folgen? Welche Umgangsweisen werden gefunden? Und welche Forderungen und Perspektiven gibt es? Das vorliegende Buch vereint unterschiedliche Forschungszugänge mit dem Ziel, antimuslimischen Rassismus in Berlin insbesondere aus der Perspektive von Betroffenen zu beschreiben. Auf der Basis zweier quantitativer Studien, von Interviews mit Fachleuten und von Gruppendiskussionen werden Antworten auf die aufgeworfenen Fragen gegeben. Die Studie fand im Rahmen des »Berlin-Monitors« statt.
Kaum jemand kann sich ihr entziehen, der faszinierenden Aura vergangener Leinwandidole. Doch worauf beruht diese außergewöhnliche Wirkung? Ute Cohen entfaltet die fragile Ästhetik der verführerischen Selbstinszenierung.
Desertieren – ein mutiger Akt des Widerstands oder ein Verrat an der Gemeinschaft? In Kriegen gelten Deserteure oft als »Kameradenschweine« oder Drückeberger, Menschen, die sich ihrer Pflicht entziehen. Doch was treibt jemanden dazu, den Dienst an der Waffe zu verweigern, Staat und Armee die Loyalität aufzukündigen und zu fliehen? Welche religiösen Überzeugungen und politischen oder humanistischen Ideale sind dafür ausschlaggebend, welche Rolle spielt die spontane Selbstermächtigung, einfach nicht mehr mitzumachen? Die Konsequenzen, die Deserteure für ihre Entscheidung zu erwarten haben, sind in der Regel drastisch: Gesellschaftliche Ächtung, aber auch Haftstrafen und Todesurteile drohen. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben Deserteure hierzulande noch lange stigmatisiert, ihre Richter und Ankläger konnten hingegen ihre Karrieren in Justiz und Politik fortsetzen. Erst im Jahr 2009 wurden die Urteile aus der NS-Zeit gegen die Desertierten vollständig aufgehoben. Rolf Cantzen widmet sich im vorliegenden Buch den Entscheidungen, die hinter einer Desertion stehen, sowie den Reaktionen der Obrigkeit: Dabei spannt er einen weiten historischen Bogen vom römischen Reich über die NS-Zeit bis zum aktuellen Ukraine-Krieg.
exit! ist eine Zeitschrift für kritische Gesellschaftstheorie. Gesellschaftliche Entwicklungen analysiert sie auf der Grundlage der Kritik der Wert-Abspaltung als einer Weiterentwicklung der kritischen Theorie. Wesentliche Bezugspunkte sind dabei die Kritik der politischen Ökonomie ebenso wie die Auseinandersetzung mit psychosozialen Phänomenen vor dem Hintergrund der Psychoanalyse.
Das postkoloniale Narrativ von den angeblich bis heute rassistischen, ausbeuterischen und räuberischen Weißen hat zu verheerenden Entwicklungen nicht nur in den ethnologischen Wissenschaften und Museen geführt, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit.
Heinz Kattner hat im Laufe seines Lebens beeindruckende poetische Werke geschaffen. »Gespräch mit dem gesammelten Du« ist das wohl persönlichste Buch in seinem Gesamtwerk. In seinem Poem steigt Kattner weit in Erinnerungen hinab und taucht in gegenwärtigen Fragen auf: eine staunende Sicht auf die Welt und das Leben, eine Wahrnehmungsschule, die eine kritische, aber liebevolle Haltung einübt. Im schönsten Sinn eine »fromme« Beziehung zu allem, was uns widerfährt. Kattner steht dabei nicht über den Dingen, sondern ordnet sich in empfindsamer Weise unter. Durch seine innere Struktur ist der Text als zusammenhängendes Langgedicht zu lesen. Über den eingedruckten QR-Code wird diese Dichtung als Hörbuch erlebbar, das der Autor selbst liest. Der Schatz eines gelebten und auch durchlittenen Lebens.
Allerorten wird der Verlust der Mitte beklagt. Auch in unseren Umgangsformen offenbart er sich: Moralismus auf der einen Seite, narzisstische Selbstentblößung und Verrohung auf der anderen. Vielleicht schlägt gerade jetzt die Stunde der lange gescholtenen »Sekundärtugenden«? Das Taktgefühl ist eine von ihnen. Es gewährt mentalen Schutz, lässt uns dem anderen mit Verständnis begegnen, ohne dass wir seine Motive zwangsläufig nachvollziehen müssen. Obgleich es auf Konventionen beruht, ist es doch mehr Improvisation als Spiel nach Noten. Mit diesem Essay legt Martin Scherer eine Analyse des Taktgefühls vor. Es ist zugleich eine Hommage an die Höflichkeit und ein Lob der distanzierten Nächstenliebe. Denn nur Abstand und Ritual bieten Schutz vor Verletzung und vermögen jene hochaggressive Spezies namens Mensch zu kultivieren.
Die Deutsche Bahn AG ist eine Tragikomödie. Warum sonst buhen die Reisenden sie wegen der permanenten Verspätungen aus und spenden Beifall, wenn überhaupt noch ein Zug fährt? Wie konnte es dazu kommen? Wurde sie kaputtgespart und heruntergewirtschaftet, und wenn ja, warum? Und welchen Einfluss haben die Bahnpakete der Europäischen Union auf das Geschehen im deutschen Zugverkehr? Starke Schiene – so lautet das neue Motto der Deutschen Bahn. Alles soll in den kommenden Jahren besser oder sogar erstklassig werden: das Schienennetz, der Komfort in den Wagen, der Service, die Anschlüsse und die Pünktlichkeit. Fragt sich nur, ob der versprochene Deutschlandtakt zumindest von den jungen Leuten noch erlebt werden kann. Und ist die von einigen politischen Parteien geforderte Trennung von Netz und Eisenbahnbetrieb sinnvoll? Bis 2030 will die Deutsche Bahn vierzig Streckenabschnitte einer Generalsanierung unterziehen. Allerdings ist nicht erkennbar, dass das dafür notwendige Geld auch vom Bund bereitgestellt wird. Aber wer sonst kann die angekündigte Großsanierung des für den Klimaschutz so wichtigen Verkehrsträgers Eisenbahn finanziell absichern? Zudem sind bautechnische Probleme – wie etwa beim Projekt Stuttgart 21 – und andere Störfaktoren fast vorprogrammiert. Kann das deutsche Bahnsystem noch die Kurve kriegen?
Was macht die Überschreitung des Erlaubten so reizvoll, warum fasziniert das Spiel mit dem Verbotenen? Spicken, Schwarzfahren, Rasen, illegale Substanzen oder ein kleiner Diebstahl …, erinnern wir uns nicht alle mit leisem Behagen an den einen oder anderen schadlos überstandenen Regelverstoß? Es scheint, als ob wir solche Momente immer wieder suchen, sie unser Leben auf spezielle Weise bereichern. Dient diese gelegentliche Abweichung vom Regelkonformen vielleicht dazu, unsere Autonomie zu behaupten? Ist sie am Ende bedeutender Teil des Menschseins? Hält der Regelbruch mitunter das geregelte Leben am Laufen und hat womöglich sogar das Potenzial, gesellschaftliche Entwicklungen voranzutreiben? Wie viel es jenseits des Erlaubten zu entdecken gibt, zeigt uns Leander Steinkopf in seinem unterhaltsamen und pointierten Essay.
»dunkelhell. Szenografische Raumfindungen« lebt von der Erfindungsgabe Studierender der Szenografie an der Hochschule Hannover. Zu sehen sind Fotografien ihrer Modellentwürfe von Bühnen- und Raumvisionen für Theater, Opern und experimentelle Projekte mit Sprache und Musik. In ihnen verschwinden die wahren Größen. Nichts ist, wie es scheint, alles ist Theater. In verkleinerten Formen werden Lebensräume erfunden und eine Vorstellung ihrer Realisierung imaginiert. In ihnen verbinden sich Vergangenheit und Gegenwart, Traum und Wirklichkeit, Kunst und Natur, Heiterkeit und Angst. Die physische Begrenztheit des kleinen Modells ermöglicht größte Freiheit in der Gestaltung, gibt Einblicke in Ideen und Fantasien, die zu den je eigenen bildnerischen Visionen und Interpretationen führten, und bringt kunstvolle Objekte hervor, die nach Vollendung ihrer wichtigen Rolle meist verschwinden. Was bleibt, sind die Fotografien. Dieser Werkprozess stellt immer neue Wechselbeziehungen her. In diesem Buch erhält das kleine Modell über die Fotografie seine Würdigung. Ein Gedankenaustausch zwischen Colin Walker und Friedrich Weltzien führt zu unterschiedlichen Themen und beleuchtet en passant die Anschauungsweise auf szenografische Inhalte.
Die unterhaltsamste Fläche auf Erden sei das menschliche Antlitz, befand der Philosoph und Physiker Georg Christoph Lichtenberg. Vom ersten Kinderlächeln bis zur zerfurchten Greisenstirn, vom beglückten Strahlen bis zur Schmerzensfratze ist es die Bühne für unsere Gefühle. Doch in seiner schier unendlichen Wandelbarkeit ist es nicht nur unterhaltsam, es ist auch geheimnisvoll, eine Landschaft, die unser Inneres sowohl offenbaren als auch verbergen kann. Durch die ganze Geschichte hindurch haben Menschen ihr Gesicht mit Schminke, Bart oder auch Schmuck verziert, um ihrer Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen, Unvorteilhaftes zu korrigieren, Schmeichelhaftes hervorzuheben. Heute ist die technische Entwicklung dabei, das Verhältnis von Natürlichem und Künstlichem zu verkehren. Der zunehmende Einsatz von Schönheitschirurgie, Photoshop oder KI-generierten Deep Fakes degradiert das reale Antlitz zum bloßen Material, aus dem ein beliebig wählbares virtuelles Konterfei geformt werden kann. Andrea Köhler beleuchtet, wie aus der unterhaltsamsten Fläche auf Erden eine nahezu grenzenlos manipulierbare geworden ist.
exit! ist eine Zeitschrift für kritische Gesellschaftstheorie. Gesellschaftliche Entwicklungen analysiert sie auf der Grundlage der Kritik der Wert-Abspaltung als einer Weiterentwicklung der kritischen Theorie. Wesentliche Bezugspunkte sind dabei die Kritik der politischen Ökonomie ebenso wie die Auseinandersetzung mit psychosozialen Phänomenen vor dem Hintergrund der Psychoanalyse.
Von April bis Juli 1994 wurden in Ruanda Hunderttausende Menschen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit umgebracht. Auf das Verbrechen folgte ein staatlicher Neuaufbau, der als beispielhaft gilt. Und doch ist die Region bis heute nicht zur Ruhe gekommen. Der Völkerrechtler Gerd Hankel hat Ruanda und die umliegenden Länder vielfach besucht und die Entwicklung des Landes über zwanzig Jahre hinweg beobachtet und begleitet. In seinem Buch erörtert er nicht nur die wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte Ruandas, sondern auch die tiefgreifenden Herausforderungen, mit denen die Gesellschaft konfrontiert ist. Er beleuchtet die Hintergründe und Interessen, die im Spiel sind, und macht auf diese Weise deutlich, dass Politik und Zynismus oftmals nahe beieinanderliegen. Die Selbst- und Fremdwahrnehmung Ruandas werfen eine Reihe von Fragen auf, die auch unseren Blick auf Gewalt und Unrecht betreffen. Für die Aktualisierung und Erweiterung seines 2019 zuerst vorgelegten Buchs hat der Autor die Region erneut bereist, um die jüngsten Entwicklungen zu beurteilen. So ist eine Neuausgabe entstanden, die die Geschichte Ruandas bis auf den heutigen Tag fortschreibt.
Mit der Studienreihe »Berlin-Monitor« werden seit 2019 Berlinerinnen und Berliner zu ihren politischen Einstellungen, Möglichkeiten der Partizipation, aber auch zu Diskriminierungserfahrungen befragt. Im »Berlin-Monitor 2023« werden die Ergebnisse der dritten repräsentativen Befragung der Berliner Bevölkerung aus dem Jahr 2023 vorgestellt. Er fokussiert darauf, wie die politischen Krisen der Gegenwart von den Befragten wahrgenommen und eingeschätzt werden. Schwerpunkte sind antimuslimische und transfeindliche Einstellungen oder die Ablehnung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Oft bereiten diese Faktoren den Boden für Extremismus und antidemokratische Positionen, welche in Berlin zwar in der Minderheit, allerdings dennoch vorhanden sind.
Mehr als ein Jahrhundert lang war das Hotel aus dem gesellschaftlichen Leben nicht wegzudenken. Oft stand es an den schönsten Orten, verhieß Luxus und Unbeschwertheit. Es bot eine Kulisse für den großen Auftritt – und für Ereignisse der Weltgeschichte. Für Reisende spielte es eine Hauptrolle. Auf Kunst, Literatur und Film hat das Leben im Hotel immer wieder inspirierend gewirkt. Als Gegenentwurf zur Alltäglichkeit des ständigen Wohnsitzes fasziniert es bis heute. In jüngster Zeit aber ist es in Bedrängnis geraten. Nicht nur die Wellen der Covid-19-Pandemie mit ihren Lockdowns haben der Hotellerie zugesetzt, sondern auch der wachsende Erfolg von Buchungsportalen für die Vermietung von Privatunterkünften. Doch das Hotel ist weit mehr als nur ein Haus zum Übernachten. Erst seine Gäste machen es zu dem, was es ist: Drehscheibe der Gesellschaft, Sehnsuchts- und Zufluchtsort. Im Schutz seiner Halböffentlichkeit gedeihen weiterhin politische und private Dramen. Allein deshalb bleibt es, wie Marion Löhndorf überzeugend und unterhaltsam argumentiert, ganz einfach unverzichtbar.
Die kulturellen und gesellschaftlichen Konflikte in den westlichen Demokratien verschärfen sich zusehends. Befeuert wird diese Entwicklung dadurch, dass im Namen einer höheren Moral zentrale Errungenschaften der Aufklärung in Frage gestellt werden. Das persönliche Erleben gerät zum entscheidenden Orientierungspunkt. Gesammelte Wissensbestände und historisch gewachsene Erkenntnisse hingegen gelten als Relikte einer unaufgeklärten und schuldbeladenen Gesellschaft. Wer hätte noch vor einigen Jahren vorhergesehen, dass nur noch identitätspolitisch ausgewiesene Personengruppen zu bestimmten Themen Stellung beziehen dürften; dass die Wissenschaftsfreiheit in Frage gestellt, die Bereitschaft zum Widerspruch in besorgniserregendem Ausmaß sinken würde? Nicht die Verbesserung des Bestehenden, sondern eine radikale Umorientierung wird seitens »woker« Vordenker angestrebt. Biologische und lebensweltliche Tatsachen gelten als bloße Zuschreibung, unbeschränkte Selbstbestimmung wird zum Gebot der Stunde. Auf welcher Grundlage sich der Mensch, der sich aller natürlichen Beschränkungen enthoben glaubt und aller Konventionen und Traditionen entledigt hat, selbst und beständig neu erschaffen soll, bleibt allerdings im Dunkeln. Bernd Ahrbeck zeigt die Gefahren auf, die von der Utopie einer grenzenlosen Machbarkeit ausgehen.
Das Außenlager Flößberg war von Dezember 1944 bis April 1945 als Außenstandort des Konzentrationslagers Buchenwald in Betrieb. Jüdische wie nichtjüdische Männer aus ganz Europa wurden hier für den Leipziger Rüstungskonzern HASAG ausgebeutet, misshandelt und getötet: »Ein Tag in Flößberg«, so ein ehemaliger Gefangener, »war wie ein ganzes Leben im Tod. Der Dreck, der Schlamm, die Qualen, die Brutalität, das war jenseits aller Vorstellungskraft.« Dieses Buch versucht, Flößberg als Teil des NS-Ausbeutungs- und Vernichtungssystems sichtbar zu machen. Es soll die Stimmen einiger der unzähligen Menschen, die hier zur Zwangsarbeit herangezogen wurden, bewahren, und die Verantwortlichen im System verorten. Um diese Strukturen zu verstehen, braucht es mehr als nur den Blick auf einzelne Gewaltausübende und auf den Ort des Geschehens. Es braucht die Details, die Biografien, den Vergleich, um den beispiellosen Terror nachzuvollziehen.
Trotz aller Skandale, in die das Bundesamt für Verfassungsschutz im Laufe seiner Geschichte verwickelt war, genießt es in der deutschen Medienöffentlichkeit großes Vertrauen. Wer als »Beobachtungsfall« oder gar als »gesichert rechts- oder linksextrem« eingestuft und damit an den Pranger gestellt wird, ist öffentlich stigmatisiert und wird tendenziell vom demokratischen Diskurs ausgeschlossen. Da der deutsche Inlandsgeheimdienst keine exekutiven Befugnisse hat, ist er für die Gesinnungsprüfung der von ihm Beobachteten zuständig. Mathias Brodkorb analysiert in seinem neuen Buch die rechtlichen Grundlagen, Struktur und Aufgaben des deutschen Inlandsgeheimdienstes und zeigt in sechs Fallstudien, wie der Verfassungsschutz nicht nur oftmals von seiner Aufgabe hermeneutisch überfordert ist, sondern sich zunehmend politisch instrumentalisieren lässt. Mitunter agiert er dabei selbst verfassungswidrig. Demokratische Willensbildung beruht auf freiem Diskurs, der von keiner staatlichen Instanz politisch gelenkt wird. Der Verfassungsschutz aber deutet legitime Grundrechtsausübung häufig als gefährlichen politischen Extremismus. Seit der Corona-Pandemie gilt selbst robust vorgetragene Kritik an der Regierung als Fall für den Inlandsgeheimdienst. Damit wird er zur Gefahr für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft. Eine grundlegende Reform oder gar Auflösung der skandalträchtigen Behörde scheint dringend geboten.
Was passiert eigentlich, wenn man sich mit einem Klappstuhl und ohne Handy auf den Gehweg setzt und einfach mal abwartet? Der Kabarettist Matthias Brodowy hat das getan und daraus ein Bühnenprogramm entstehen lassen, das erweitert nun auch in Buchform vorliegt. Die Geschichten, die so zusammengekommen sind, spiegeln den satirischen Wert der Wirklichkeit wider. Der stille Beobachter, der die Welt an sich vorbeiziehen lässt, wird unversehens in sie hineingezogen. Da fällt mal eben so ein Hipster in den Gully, Demonstranten halten den Klappstuhlsitzer für einen Geheimagenten und dann bleibt da noch die Frage, ob man eigentlich auch ohne Auto auf einem Parkplatz parken darf. Und wie teilt man einem Polizisten mit, dass dieser einen explosiven Riss in der Hose hat? Welche Gedanken spricht man überhaupt laut aus? Eines lässt sich jedenfalls mit Bestimmtheit sagen: Ohne Smartphone und zurückgelehnt im Klappstuhl vergeht die Zeit sehr viel langsamer.
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