Jedes Gerichtsverfahren spiegelt wider, woran unsere Gesellschaft krankt. Mal offenbaren wohlhabende Finanzjongleure ihren Hochmut, mal zeigt sich, wie armselig das Leben auf der anderen Seite der Gesellschaft ist. Mal wird einem von den Medien längst verurteilten Bundespräsidenten die Amtswürde vor Gericht endgültig genommen, mal das Intimleben eines TV-Wetterexperten lüstern seziert. Vor Gericht erhalten nahezu alle menschlichen Seelenregungen, die sonst im Verborgenen walten, ihre Bühne: Machtfantasien oder Habgier, seelische Gewalt oder Niedertracht. Es kommt aber auch die Infamie eines Justizapparats zum Vorschein, der lieber an einem Irrtum festhält, als ihn zuzugeben. Oder der einem Angeklagten, der freigesprochen werden musste, nachruft, man halte ihn trotzdem für den Täter. Vor Gericht zeigen sich jedoch nicht nur die Abgründe menschlicher Existenz, es gibt auch Momente der Hoffnung. Wenn es einem Richter gelingt, die aus den Fugen geratene Welt der Täter und Opfer wieder ins Lot zu bringen, kann unsere Justiz Wunden heilen.
Ein liebestoller Gott verfolgt eine Nymphe, die seiner Zudringlichkeit nur dadurch entkommt, dass sie sich in einen Baum verwandelt. Die Geschichte von Daphne und Apoll gehört zu den schönsten und bekanntesten aus Ovids »Metamorphosen«. Über zwei Jahrtausende hinweg hat sie Maler und Bildhauer so fasziniert, dass sie immer wieder den entscheidenden Augenblick der Verwandlung Daphnes zu bannen versuchten. Einige der größten Werke der Kunstgeschichte sind so entstanden. Ovids Text ist heute jedoch mehr denn je eine Herausforderung: Allein schon das antike Versmaß bereitet im Deutschen Kopfzerbrechen. Auch wenn das mythische Geschehen klar erscheint, erweist sich Ovids Sprache als so komplex, dass sich Generationen von Schülern daran die Zähne ausgebissen haben. Wie ist mit einer Sprache umzugehen, die niemandes Muttersprache mehr ist, mit einer literarischen Form, die wir kaum noch durchschauen? Für Burkhard Müller schafft erst die Einsicht in das, was uns von den Zeiten Ovids trennt, die Voraussetzung für eine Annäherung an sein Werk. Indem Müller den Geist der antiken Vorlage einzufangen versucht, bietet er uns einen Schlüssel nicht nur zur lateinischen Dichtkunst, sondern auch zu der von ihr inspirierten abendländischen Kunstgeschichte.
Hannes Weckerling ist wohl das, was man unter einem ›liebenswerten Unruhestifter‹ versteht: Vater zweier Kinder und mit seiner Lebensgefährtin an seiner Seite tritt er als gewitzter Autor auf und hält Distanz zu den allgegenwärtigen technischen Errungenschaften. Er nimmt sich selbst und das Leben zwar wichtig, aber nicht so ernst, als plötzlich ihm die Ärzte nach einem epileptischen Anfall eine folgenschwere Diagnose stellen: Hirntumor. Nicht länger die Mitmenschen durch sein oft bizarres Verhalten irritierend, will sich Weckerling für den fundamentalen Riss in seinem Dasein wappnen. Dabei übernimmt er von Ratschlägen nur das, was in ihm nachhallt. Als eigensinniger Zeitgenosse meint er, eine intuitive Strategie des Widerstands und der Überwindung zu finden. In seinen Kladden schreibt er assoziativ viele Gedanken nieder. Immer stärker saugt er damit den Leser in den Strudel dessen hinein, was sich im Verlauf dieser Krise in seiner Seele entwickelt. Aus dem Wechselspiel der verschiedenen erzählerischen Bestandteile, verwoben mit Zitaten, Songtexten, Radioansagen und Haikus, erwächst die eindringliche und sprachlich virtuose Schilderung einer existentiellen Geschichte mit autobiografischen Zügen.
Das deutsche Abitur war jahrzehntelang ein Qualitätssiegel. Bildung »made in Germany« genoss hohes Ansehen in der Welt und versprach mit dem Abitur als ihrem schulischen Höhepunkt freien Hochschulzugang und gesellschaftlichen Aufstieg. Wird das Versprechen heute noch eingehalten? Das Bild, das die Schulen und die von ihnen vergebenen Abschlüsse bieten, gibt eine eindeutige Antwort: Kaum jemand kann noch darüber hinwegsehen, dass das Leistungsniveau in deutschen Schulen nicht nur in alarmierendem Maße sinkt, sondern im Vergleich der Bundesländer auch noch eklatante Unterschiede aufweist. Obwohl das bildungspolitische Chaos und die skandalöse Ungerechtigkeit im deutschen Bildungssystem offensichtlich sind, herrscht über die entscheidende Ursache für den Niedergang weitgehend Unklarheit. Katja Koch und Mathias Brodkorb zeigen, dass der mit guten Gründen vor siebzig Jahren eingeführte Bildungsföderalismus inzwischen absurde Blüten treibt: Während einige Bundesländer hohe Anforderungen stellen, machen es andere ihren Abiturienten leicht. So hängt das Abiturergebnis heute eher von der Gnade der Geburt als von der schulischen Leistung ab. Leidtragende sind nicht nur Schüler und ihre Eltern.
Entwicklungshilfe, beschönigend heute auch »Entwicklungszusammenarbeit« genannt, ist eine umstrittene Angelegenheit. Gegner wie Befürworter führen gewichtige Argumente ins Feld, sind sich jedoch darin einig, dass etwas geschehen muss, gerade im subsaharischen Afrika. Nur was und wie? Sollen Veränderungen durch radikale Beschränkung auf humanitäre Hilfe und durch das Hoffen auf Eigeninitiativen aus dem Druck menschenunwürdiger Verhältnisse heraus zustande kommen? Oder durch zusätzliche finanzielle Hilfen und Kooperation in der Erwartung einer allmählichen Veränderung zum Besseren? Und zu welchem Besseren überhaupt? Ruanda gilt heute als Paradebeispiel der Entwicklung in Zentralafrika, die Demokratische Republik Kongo hingegen als Inbegriff von Korruption, Vetternwirtschaft und Staatsversagen. Zwei Extreme in Afrika, die gleichwohl Parallelen aufweisen und uns vor allem zu einem genauen – und selbstkritischen – Blick auf Afrika auffordern: jenseits paternalistischer Attitüden, politischer Blindheit, ökonomischer Gier oder einer Gleichgültigkeit, die oft in bedenkliche Nähe zur Arroganz gerät – trotz des europäischen Wunsches, Hilfe zu leisten. Seit fast zwanzig Jahren arbeitet Gerd Hankel in und über Zentralafrika und blickt auf eine lange Erfahrung in der Zusammenarbeit mit NGOs zurück. Seine Beobachtungen münden in einem differenzierten Plädoyer für die Entwicklungshilfe, zu der es trotz aller Widrigkeiten und realitätsfernen Erwartungen auf Geber- wie Nehmerseite keine sinnvolle Alternative gibt.
Mit dem »Berlin-Monitor« werden die politischen Einstellungen und das politische Engagement der Berliner Bevölkerung untersucht. Wie offen sind die BerlinerInnen, wie weit ist Rechtsextremismus verbreitet, wer ist von Diskriminierung betroffen? Ein Schwerpunkt des Buches liegt auf der Verbreitung antisemitischer Einstellungen und den Erfahrungen der von Antisemitismus Betroffenen. So gelingt es, aus der Perspektive kritischer Wissenschaft Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Der »Berlin-Monitor« liefert einen wichtigen Einblick in eine vielfältige Stadtgesellschaft, aber auch ein Verständnis für die Bruchlinien dieser Metropole.
Die »Zeitschrift für kritische Theorie« ist ein Diskussionsforum für die materiale Anwendung kritischer Theorie auf aktuelle Gegenstände und bietet einen Rahmen für Gespräche zwischen den verschiedenen methodologischen Auffassungen heutiger Formen kritischer Theorie. Sie dient als Forum, das einzelne theoretische Anstrengungen thematisch bündelt und kontinuierlich zu präsentiert. Inhalt: Vorbemerkung der Redaktion Hans-Ernst Schiller: Zur Aktualität der Metaphysik. Kritische Theorie und philosophische Tradition Gerhard Richter: »Eine Krankheit alles Bedeuten«. Kafkas »Proceß« zwischen Adorno und Agamben Anne-Marie Feenberg-Dibon: Adorno on »Brave New World«: »Aldous Huxley and Utopia« Matthias Rudolph: Ein ontologischer Kurzschluss. Jane Bennetts »Vital Materialism« im Lichte von Theodor W. Adornos Ontologiekritik Konstantinos Rantis: Kants Kritik der Urteilskraft und Marcuses Befreiung der Natur Stefan Gandler: Sprechen und Hören im Spätkapitalismus. Reflexionen zur kritischen Theorie Bolívar Echeverrías Marco Solinas: Kritik der Regressionen. Politische, geschichtliche und psychosoziale Betrachtungen Theodor W. Adorno und Ulrich Sonnemann: Briefwechsel 1957–1969 herausgegeben und kommentiert von Martin Mettin und Tobias Heinze Hermann Schweppenhäuser: Über den Wissenschaftsbegriff bei Marx Peter-Erwin Jansen: Die irrationale Rationalität des Fortschritts. Herbert Marcuses weitsichtige Technologiekritik Jakob Hayner: Der revolutionäre Flügel der kritischen Theorie. Ein Nachruf auf Wolfgang Pohrt Daniel Burghardt: Marx im Handgemenge. Ein Literaturbericht www.zkt.zuklampen.de
Was haben »Die Leiden des jungen Werther«, »Ulysses«, »Madame Bovary«, »Die satanischen Verse« und »Fifty Shades of Grey« gemeinsam? Sie alle sorgten für Aufruhr in der Öffentlichkeit, weil sie an festgefügten Moralvorstellungen rüttelten. Die Autoren wurden diffamiert und zum Teil sogar handgreiflich attackiert, drohten sie doch, dem angeblichen Sittenverfall Vorschub zu leisten. Meist entpuppten sich die gegen sie gerichteten Vorwürfe jedoch als scheinheilig, finden doch gerade die Skandalbücher reißenden Absatz. Vom Marquis de Sade über Vladimir Nabokov bis hin zu Charlotte Roche: Clemens Ottawa versammelt die skandalösesten literarischen Werke und erzählt von ihrer aufsehenerregenden Rezeption. Sie haben ihre Faszination bis heute nicht eingebüßt.
Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls gibt Aleksandra Majzlic jenen Andersdenkenden eine Stimme, die gegen das System aufbegehrten und staatliche Gewalt ertragen mussten. In den persönlichen Erfahrungen und Reflexionen dieser Menschen wird die DDR-Geschichte und deren Aufarbeitung konkret: Eine Betroffene berichtet von sexuellem Missbrauch im Jugendwerkhof Torgau. Ein Ex-Häftling erzählt von einer späteren Begegnung mit seinem damaligen Stasivernehmer, ein anderer spricht von seiner versuchten Flucht aus dem Überwachungsstaat. In den Porträts geht es nicht nur um erlittene Repressionen, sondern auch um Zwangsadoptionen, Ausländerhass und um Schikanen, denen Homosexuelle ausgesetzt waren. Die Schilderungen der Protagonisten zeugen von der Möglichkeit und vom Mut des Einzelnen, sich gegen Anpassung und Willfährigkeit zu entscheiden und Widerstand zu leisten. Die meisten der von Aleksandra Majzlic Porträtierten sind der Öffentlichkeit kaum bekannt, und dennoch stehen sie exemplarisch für all jene, die 1989 den politischen Wandel im Osten Deutschlands durchgesetzt haben. Diese Menschen setzen sich noch heute für die Aufklärung des DDR-Unrechts ein und halten die Erinnerung an das Geschehen lebendig.
Kurz nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Buchenwald im April 1945 begann Mordechai Strigler, seine Erfahrungen in den Lagern des besetzten Polens literarisch zu verarbeiten. Schonungslos wie kaum ein anderer Überlebender beschreibt er die Lagerorganisation und das Lagerleben sowie den Umgang der jüdischen Gefangenen untereinander. In »Werk C« schildert Strigler die Monate von September 1943 bis März 1944 im Arbeitslager Skarzysko-Kamienna, das vom Leipziger Rüstungsunternehmen HASAG AG betrieben wurde. Dabei zeigt er – anders als im Vorgängerband – weniger die Produktionsbedingungen auf, sondern konzentriert sich auf einzelne Personen, Beziehungen und Begebenheiten. Er beschreibt sowohl den Alltag im Lager als auch außergewöhnliche Umstände wie Geburten oder das von den Gefangenen ersonnene Prostitutionsmodell. Da er mit der Zeit in ›privilegiertere‹ Kreise der jüdischen Lagerverwaltung aufstieg, kann er auch über die ›mittlere Verwaltungsebene‹ sowie die Organisation des gesellschaftlichen Lagerlebens berichten und ein detailliertes Porträt der Funktionshäftlinge im Arbeitslager liefern. »Zur bloßen Kolorierung darf man die Feder beim Wiedererwecken unserer Leiden vergangener Zeiten nicht benutzen. So lasst uns noch ein Mal in unser Antlitz in jenen Tagen schauen, ohne die Maske, die wir heute gern für uns finden.« Mordechai Strigler, 1950
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